Steuernews 2018

Mehrwertsteuerbefreiung auf echte Dreiecksgeschäfte

Dean Košar Dean KošarDean Košar

Erfüllung von materiellen Voraussetzungen von besonderer Bedeutung

In seinem Urteil vom 19. April 2018 in der Rechtssache C-580/16 lieferte der Gerichtshof der Europäischen Union die Auslegung der Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie bezüglich der Mehrwertsteuerbefreiung auf Dreiecksgeschäfte

Laut dem Gerichtshof führt die Verletzung der formellen Anforderungen für die Mehrwertsteuerbefreiung beim Zwischenerwerb im Rahmen der Dreiecksgeschäfte nicht unbedingt zur Verweigerung des Rechts auf Befreiung. Bei der Prüfung des Rechts auf Befreiung müssen der Inhalt des Dreiecksgeschäfts und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität berücksichtigt werden.

Dreiecksgeschäfte

Dreiecksgeschäfte sind eine Untergruppe von Reihengeschäften. Sie stellen eine Reihe von aufeinander folgenden Verkaufs- und Kauftransaktionen von Waren dar, an denen zumindest drei Subjekte teilnehmen. Die Ware wird direkt vom ersten Lieferer in der Reihe bis zum Endempfänger befördert, wobei der Kauf und Verkauf getrennt behandelt werden.

Es wird zwischen echten und unechten Dreiecksgeschäften unterschieden. Von echten Dreiecksgeschäften ist die Rede, wenn bei einer Reihe von Transaktionen Steuerpflichtige mit Umsatzsteueridentifikationsnummern aus drei EU-Mitgliedstaaten mitwirken. Sind die Voraussetzungen für ein echtes Dreiecksgeschäft nicht erfüllt, handelt es sich um ein unechtes Dreiecksgeschäft.

Vereinfachungsregelung bei echten Dreiecksgeschäften

Die Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006) sieht für echte Dreiecksgeschäfte eine Vereinfachungsregelung bezüglich der Mehrwertsteuer vor.

Bei einem Dreiecksgeschäft wird die Mehrwertsteuer unter bestimmten Voraussetzungen nur im Mitgliedstaat des Endempfängers erhoben. Dies bedeutet, dass die erste Lieferung des Lieferers aus dem Mitgliedstaat der Versendung oder Beförderung der Ware (Artikel 46 Punkt 1 des [slowenischen] MwSt.-Gesetzes (ZDDV-1)) und der erste Erwerb des Erwerbers des Zwischenmitgliedstaats (Artikel 48 Punkt 2 ZDDV-1) von der Mehrwertsteuer befreit sind. Ebenso mehrwertsteuerfrei ist die zweite Lieferung, die der Erwerber aus dem Zwischenmitgliedstaat an den Endempfänger im Bestimmungsmitgliedstaat erbringt.

Ein echtes Dreiecksgeschäft wird trotz mehrerer Lieferungen nur einmal besteuert. Die Mehrwertsteuer wird von dem Endempfänger der Ware im Bestimmungsmitgliedstaat erhoben und bezahlt. Die Vereinfachungsregelung ermöglicht dem Zwischenglied (dem Erwerber), sich im Bestimmungsmitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke nicht registrieren zu müssen.

Regelung auf EU-Ebene

Gemäß Artikel 40 der Mehrwertsteuerrichtlinie gilt als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen der Ort, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden. Der Erwerb ist im Mitgliedstaat des Endempfängers mehrwertsteuerpflichtig, wenn die zwei Voraussetzungen aus Artikel 42 der Mehrwertsteuerrichtlinie erfüllt sind:

  1. der Erwerber weist nach, dass er diesen Erwerb für die Zwecke einer anschließenden Lieferung in den Mitgliedstaat des Endempfänger getätigt hat;
  2. der Erwerber ist der Pflicht zur Abgabe der zusammenfassenden Meldung nachgekommen.

Gemäß Artikel 141 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist der Erwerb von der Mehrwertsteuer befreit, wenn der Erwerb von Gegenständen von einem Steuerpflichtigen bewirkt wird, der nicht in diesem Zwischenmitgliedstaat niedergelassen ist, aber dort für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist. Außerdem müssen die auf diese Weise erworbenen Gegenstände von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Erwerber für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, unmittelbar versandt oder befördert werden.

Rechtsprechung des Gerichtshofes

Der Gerichtshof fällte auf Grundlage einer vorhergehenden Frage ein Urteil bezüglich der Anwendung der Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie, die die Mehrwertsteuerbefreiung des Erwerbs des Zwischenmitglieds in einer Reihe von Dreiecksgeschäften regeln (Urteil Nr. C-580/16 vom 19. April 2018). In seinem Urteil vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass bei der Prüfung der Einhaltung der Voraussetzungen für die Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung der Inhalt selbst und nicht lediglich formelle Anforderungen zu berücksichtigen sind.

Ist der Erwerber sowohl im Mitgliedstaat des Zwischenerwerbs als auch im Mitgliedstaat, von dem aus die Gegenstände unmittelbar versandt oder befördert werden, für Mehrwertsteuerzwecke erfasst, ist die Voraussetzung für die Mehrwertsteuerbefreiung gemäß Artikel 141 der Mehrwertsteuerrichtlinie streng formal gesehen nicht erfüllt. Trotzdem darf dem Steuerpflichtigen nach Auffassung des Gerichts das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung nicht allein deshalb verwehrt werden, weil er in dem Mitgliedstaat, von dem aus die Gegenstände versandt oder befördert werden, zum Zeitpunkt des Erwerbs ansässig und für Mehrwertsteuerzwecke erfasst ist, wenn er für den konkreten innergemeinschaftlichen Erwerb die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbsmitgliedstaats verwendet.  

Zur Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung hat der Erwerber gemäß Artikel 42 der Mehrwertsteuerrichtlinie einen Nachweis über die Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat zu erbringen. Die Anforderungen zur Abgabe von zusammenfassenden Meldungen sind nach Auffassung des Gerichtshofs Formerfordernisse. Die Nichteinhaltung solcher formalen Voraussetzungen ist allein aufgrund dieses Umstands kein Grund für die Verweigerung des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung, wenn ansonsten die inhaltlichen Bedingungen erfüllt sind. Der Gerichtshof stellte in seinem Urteil fest, dass die Steuerverwaltung des Mitgliedstaats des Zwischenerwerbs dem Erwerber das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung nicht allein deshalb verwehren darf, weil er die zusammenfassende Meldung nicht rechtzeitig einreichte.

Bei der Prüfung der Bestimmungen über die Mehrwertseteuer muss der Grundsatz der steuerlichen Neutralität berücksichtigt und Entscheidungen, die zur Doppelbesteuerung führen, vermieden werden.